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Joe Biden und Donald Trump in Kenosha: Duell über Raum und Zeit - STERN.de

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US-Wahl 2020 Joe Biden und Donald Trump in Kenosha: Duell über Raum und Zeit

Sehen Sie im Video: Biden trifft Familie des schwerverletzten Jacob Blake – und verurteilt gewaltsame Proteste.

Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat zwei Tage nach US-Präsident Donald Trump der nach Schüssen auf einen Afroamerikaner von Unruhen erschütterten Stadt Kenosha einen Besuch abgestattet. Am Flughafen von Milwaukee traf er sich zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der Familie des angeschossenen Jacob Blake. Er telefonierte auch etwa 15 Minuten lang mit Blake selbst, der schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Er war von sieben Schüssen eines weißen Polizisten in den Rücken getroffen worden. Der 29-Jährige ist seitdem querschnittsgelähmt. Anschließend reiste Biden, der wegen der Coronavirus-Pandemie eine Maske trug, nach Kenosha weiter und hörte sich dort in einer Kirche die Berichte von Einwohnern, Ladenbesitzern und Polizisten über Rassentrennung und die Unruhen an. Trotz der berechtigten Kritik an den Zuständen im Land müssten die Proteste aber friedlich bleiben, sagte Biden. "Nichts davon rechtfertigt Plünderungen, Brandlegungen oder irgendwas anderes. Egal wie wütend Du bist. Wenn du plünderst oder Feuer legst, solltest Du dafür verantwortlich gemacht werden, wie jeder andere auch. Das kann nicht hingenommen werden." Der Besuch von Biden in Kenosha stand in starkem Kontrast zu dem von US-Präsident Trump. Trump hatte sich demonstrativ auf die Seite der Polizei gestellt und die Proteste als Inlandsterror bezeichnet. Er war nach Kenosha gefahren, obwohl ihn sowohl Wisconsins demokratischer Gouverneur als auch der Bürgermeister von Kenosha öffentlich darum gebeten hatten, nicht zu kommen.

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Donald Trump und Joe Biden sind gleich alt und doch wirkt der Herausforderer des US-Präsidenten oft schwerfällig. Das war nun bei seinem Besuch in Kenosha zu hören, wo sich die beiden eine Art Duell über Raum und Zeit geliefert haben.

Der Mann ist eben 77 Jahre alt, und das Alter war ihm wieder anzuhören. In dieser typischen Pose mit einer Hand in der Hosentasche stand Joe Biden vor der Gemeinde der Grace Lutheran Church von Kenosha und hielt eine Rede. Er sprach über die Schießerei vor zwei Wochen hier in der kleinen Großstadt in Wisconsin. Er sprach über Rassismus, er sprach über Sklaverei – "Amerikas Ursünde", wie sagte. Dabei blickte er nicht herausfordernd ins Publikum, wie es andere Wahlkämpfer tun. Bidens Gestik war offen, aber nachdenklich, sie passte zu der Art seines Besuchs. Und doch klang er oft einen Tick zu bedächtig, zu schwerfällig, Atem zu holen fiel ihm hörbar schwer.

Es sei die Maske gewesen, die ihn habe etwas schwer atmen lassen, hieß es nach seinem Auftritt. Gut möglich. Wie oft hört man auch schon Menschen zu, die durch eine Maske in ein Mikrofon sprechen? Dennoch war Bidens Auftritt wieder einmal Wasser auf die Mühlen derer, die am Gesundheitszustand des demokratischen Präsidentschaftskandidaten zweifeln. Schon als Vizepräsident unter Barack Obama leistete er sich gerne mal Patzer und Aussetzer, seine Paddeligkeit war Anlass für zahllose Witze. Auch bei den innerparteilichen Debatten während der Vorwahlen wirkte Biden oft abwesend. Einmal fauchte ihn damals Mitbewerber Julian Castro an, ob er vergessen hätte, was er zwei Minuten zuvor gesagt habe. Die Runde goutierte diesen persönlichen Angriff nicht.

Donald Trump wie meist wenig zimperlich

Donald Trump, Amtsinhaber und Bidens Gegner, ist dagegen selten zimperlich, wenn es persönlich wird. So auch nicht nach Bidens Auftritt. Der US-Präsident sprach am Donnerstagsabend auf einem Flughafen in Latrobe, Pennsylvania. Angriffslustig wie immer, wenn er vor seine Anhänger tritt, lästerte er unverhohlen über seinen Kontrahenten: "Habt ihr jemals einen Mann gesehen, der so gerne eine Maske trägt wie er?", fragte Trump ins Publikum, das seine Worte mit lautem Gelächter quittierte. Und dann lasse er auch noch die Maske von einem Ohr runterhängen - weil sie ihm das Gefühl von Sicherheit gebe, so Trump weiter. "Wenn ich ein Psychiater wäre, würde ich sagen, der Junge hat eine Menge Probleme."

Trump, der virile Wahlkampfrowdy gegen Biden, der altersfeine Statesman – diese Rollen sind schon länger verteilt, doch selten wurde so deutlich, wie unterschiedlich die beiden Anwärter auf das höchste Amt der Vereinigten Staaten im Auftreten und ihren Botschaften sind. Biden nannte Kenosha eine Stadt, die Heilung brauche; zuvor saß er anderthalb Stunden mit der Familie von Jacob Blake zusammen. Dem Afroamerikaner hatte ein weißer Polizist sieben Mal in den Rücken geschossen.

Joe Biden bemüht sich um die richtigen Worte 

Biden war hörbar bemüht, die richtigen Worte zu finden, und irgendwann sagte er, wie bewusst es ihm sei, als Weißer nie Rassismus am eigenen Leib zu erleben. "Ich kann nicht begreifen, wie es ist, aus der Tür zu gehen oder meinen Sohn oder meine Tochter rauszuschicken – und mir Sorgen zu machen, dass sie nicht zurückkommen könnten, nur weil sie schwarz sind", sagte Biden. "Ich kann es nicht intellektuell verstehen, aber ich kann es fühlen."

Als der US-Präsident keine 48 Stunden vorher am selben Ort war, erwähnte er Blake nur indirekt: Ihm täte jeder leid, der so etwas durchmachen müsse. Dann traf er Polizisten und lobte den Einsatz von Sicherheitskräften und Nationalgarde. Er hat die Proteste, die friedlichen als auch die gewalttätigen, als "Inlandsterrorismus" bezeichnet und sich selbst als "Law and Order"-Präsident, der durchgreifen werde. Was genau passiert sei, am Sonntag vor 14 Tagen, als Jacob Blake in den Rücken geschossen wurde, müsse laut Trump weiter untersucht werden. Der Fall sei kompliziert.

Jacob Blake ist querschnittsgelähmt

Das Opfer, soviel steht wohl fest, ist nach den Schüssen, die seine Wirbelsäule verletzten, von der Hüfte abwärts gelähmt. Auf dem Video eines Augenzeugen war zu sehen, wie Blake bei dem Polizeieinsatz um ein Auto geht, während ihm zwei Polizisten mit gezogenen Waffen folgen. Eine davon ist auf seinen Rücken gerichtet. Nachdem Blake die Fahrertür öffnet und sich hineinbeugt, ist zu sehen, wie einer der Polizisten ihn am Shirt packt und sieben Mal schießt. In Blakes Auto wurde ein Messer gefunden, welche Rolle es in dem Geschehen spielte, ist aber noch unklar.

Bidens Reise nach Kenosha war von Anfang als Kontrastprogramm angelegt, die Wähler dort und im ganzen Land konnten innerhalb von 48 Stunden sehen, wie ihr nächster Präsident mit einer solch schwierigen Situation umgeht. Würde man die Besuche als Duell betrachten, dann ging es in gewisser Weise unentschieden aus. Denn obwohl ungefähr gleich alt, könnten die beiden Kandidaten unterschiedlicher kaum sein – in Sprache, Vision und auch Körperlichkeit. Am 3. November zeigt sich, welche USA die Amerikaner für die nächsten vier Jahre wollen.

Quellen: DPA, AFP, C-Span, Politico

tkr



September 05, 2020 at 12:45AM
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